Sydney: Alles Verbrecher
Nach dem Lianengewirr in Minnamurra und dem übertriebenen Regenbogenaufgebot von Kiama wird es Zeit für den nüchternen Großstadtdschungel.Theresa und ich hatten nämlich noch eine Rechnung offen mit der größten Stadt dieses Kontinents: Um die Ursprünge des heutigen Australiens zu erkunden, besuchten wir die Hyde Park Barracks in Sydney.
Im Gespräch mit meinem geschätzten Laborkollegen und Ozeanien-Experten Daniel Avery erfuhr ich unlängst, dass die rund 80% jener Australier die ihre Herkunft nach Europa zurückverfolgen können, kein Problem mit der kriminellen Vergangenheit ihrer Vorfahren haben.
Ich unterstelle dem australischen Volk damit keineswegs eine Neigung zur Gesetzesübertretung. Es ist vielmehr kein Tabu zu sagen, dass die ersten Siedler alle etwas auf dem Kerbholz hatten.
Das Museum in Sydney zeichnete ein recht rabiates Bild vom damaligen Großbritannien, dessen Arbeiterklasse gerade die volle Brutalität der Industrialisierung spürte: Die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft befand sich auf unerhörtem Niveau.
Die Oberschicht fürchtete sich um ihren Besitz und nahm ungeniert Einfluss auf die Gerichtsbarkeit um Eigentumsdelikte höchstmöglich zu bestrafen. Auf geringe Diebstähle stand die Todesstrafe und die Hinrichtungen wurden öffentlich veranstaltet.
Die Freiluft-Exekutionen waren aber so eine Hetz, dass die Massen sie zur Unterhaltung besuchten, was wiederum viele Taschendiebe anlockte.
Als dann die Einsicht nahe lag, dass das ganze Hinrichten nicht den gewünschten Effekt erzielte, entschied man sich —auch vor dem Hintergrund des galoppierenden Imperialismus Großbritanniens— den Sträflingen eine Alternative zum Strang zu bieten.
Während man die Delinquenten in Österreich zum Sacklpicken verdammte, stellten die britischen Gerichte ihre Verurteilten vor die Wahl: Entweder Zwangsarbeit in der Strafkolonie oder Galgentod im Heimatland.
Weil die Krone nach dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776 genug von den noch-nicht-vereinigten Staaten hatte, schiffte man die Sträflinge nach Australien um dort den britischen Einfluss zu mehren.
Dieses Konzept der von Gerichten geförderten Zwangsarbeit blieb nicht einzigartig in der Geschichte Großbritanniens und wenn ich meiner neugewonnenen Freundin und US-Korrespondentin Sangita Diaz Glauben schenken darf, dann grassiert in einer anderen ehemaligen Kolonie auch heutzutage noch die Zwangsarbeit in den überfüllten Gefängnissen wo unter Sklaverei-ähnlichen Bedingungen viele Organisationen (IBM, Victoria's Secret, US Army) kostengünstig produzieren lassen.
Ein Riesengeschäft ist das.In meinem jugendlichen Leichtsinn dachte ich mir, ich sollte meinen kulinarischen Horizont erweitern. Der Gedanke allein war schon von Grund auf töricht: Lieber beim Gewohnten bleiben. Weils da draußen nix gibt.
Man kannte dem Ei sein ehrwürdiges Alter an. Der Dotter hatte sich schwarzgrau verfärbt und das Weiße vom Ei war als dunkles Gelee kaum wiederzuerkennen.
Aber geschmacklich gut!
Leider ist es meinem Gaumen dann doch etwas zu exotisch geworden und ich musste, bevor ich noch ganz aufgegessen hatte, w.o. geben.
Nach intensiven Recherchen im asiatischen Kulturkreis (also eine kurze Umfrage in meinem Labor) stellt sich heraus, dass es überhaupt kein Zeichen von Höflichkeit ist, als Gast etwas vom Essen übrigzulassen. Trotzdem zogen wir uns in diesem authentisch-chinesischen Restaurant nicht den bösen Blick der Köche zu.
Im Gespräch mit der Chefin des Restaurants war eher eine leichte Spur Anerkennung zu vernehmen, als sie mir sagte, dass ich mich über ein sehr traditionelles Gericht getraut habe.
Nachdem wir ihr verraten hatten woher wir kamen, erzählte sie uns gleich recht stolz, dass ihre Tochter Musik in Australien studiert, denn sie kannte Österreich und verband das Land mit den Komponisten die es hervorgebracht hat.
Das war seinerzeit Ayakás erste Reaktion und jene von Bryant Tan, einem Freund vom Studentenheim der ein Liebhaber klassischer Musik ist und sich zur chinesischen Minderheit in Malaysien zählt.
Ich kann als Gstudierter anhand dieser Daten ruhigen Gewissens hochrechnen und sagen, dass alle Asiaten dieser Welt (4.3 Milliarden) Österreich mit klassischer Musik verbinden beziehungsweise mit jenem Film der Österreichs Bild im Ausland wohl am stärksten geprägt hat.
Blue Mountains: Nebel ohne Wiederkehr
Um Theresa auf die Heimkehr ins Land der Berge etwas vorzubereiten, machten wir einen Wochenendausflug nach Katoomba in die Blue Mountains.
Katoomba ist eine kleine Stadt deren Bewohner auf dem einschlägigen Wikipediaeintrag gleich zweimal als "exzentrisch" bezeichnet werden.
Mein Eindruck war, dass sich Katoomba als perfekter Schauplatz für einen Stephen King Roman eignet. Da war zum einen unser Hotel, das sich zwar Clarendon nannte, aber ich habe den Verdacht, wenn ich einen Blick hinter das Schild geworfen hätte, hätte ich den Schriftzug "Overlook Hotel" gefunden.
Es schien nur mir aufzufallen, aber ich war mir sicher, die Rezeptionistin, sie, sie, sie blinzelte nur mit einem Auge.
Theresa und ich hatten genug Zeit in den Welten Stephen Kings verbracht um zu wissen, was es geschlagen hat: Die Heckenfiguren meiden, das Antlitz unserer Väter nie vergessen und Zuflucht im Einkaufszentrum suchen. Nur: In einer gottverlassenen kleinen Stadt wie dieser gab es keine Einkaufszentren die Schutz vor dem Nebel des Grauens boten. So huschten wir von Krämerladen zu Krämerladen wo man uns allerhand needful things anbot.
Die Entstehungsmythen um diese bizarren Säulen sind zahlreich und widersprüchlich. Manche sagen, die Schwestern seien von ihrem eigenen Vater versteinert worden um sie vor dem grauslichen Bunyip zu schützen, einem Horrorwesen über das selbst ein HP Lovecraft nur furchtsam vage Andeutungen gemacht hätte.
Das Schauspiel war für uns nur wenige Momente zu erkennen bis dichter Nebel die Schwestern umfing, gleich einem Alkoholschleier der sich manchmal gnädig um den Verstand legt.
Und auch das dortige Tourismusbüro hatte für solche nebligen Tage, die scheinbar öfters vorkamen als die Werbeprospekte zugeben wollten, vorgesorgt: Eine wandgroße Fotographie von der Landschaft draußen bot ein Ersatzmotiv für alle die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.